Gespräch mit mir
Kunstmesse
Verkaufskünstler
Süßigkeitenschale
Souvenirkunst
Seelsorge
- Da gab's richtige Verkaufskünstler.
- Also die, die Arbeiten für den Verkauf produzieren.
- Wo das Wort Kunstwerk benutzt wird und dabei nur ein Produkt umhüllt.
- Pause.
- Zuerst hatten wir ja bloß eine Preisliste in unserem Katalog.
- Und dann haben wir aber gesehen, dass an allen möglichen Ständen die Preise unter den Arbeiten standen.
- Was eigentlich nicht schön aussieht!
- Und was es irgendwie auch zu einem Supermarkt macht.
- Dann haben wir das aber auch drunter geschrieben.
- Mit Bleistift.
- Pause.
- Dann gab es Teilnehmer, die haben sogar Naschschalen ...
- Also Süßigkeiten in einer kleinen Schale an ihrem Stand hingestellt. Damit die Leute das da essen können.
- Die haben kleine Kunststofflederhocker da hingestellt, damit sich die Besucher ausruhen können.
- Neben den Naschschalen!
- Pause.
- Einer hat unechte Geldscheine auf dem Boden verstreut. Vor seinem Stand.
- Also als eine Art Visitenkarte.
- Dann haben wir Schilder gesehen mit "EC-Kartenzahlung möglich".
- Und "PayPal möglich".
- Pause.
- Und viele kleine Leinwandbilder, die einfach auf dem Boden an die Wand gelehnt waren, nebeneinander.
- Also gar nicht mehr gehangen wurden!
- Wo der Platz fehlte und die günstig waren und auch noch verkauft werden sollten.
- Pause.
- Das wollten wir eigentlich gar nicht!
- Pause.
- Da waren ganz unterschiedliche Intentionen bei der Kunstmesse. Bei den Künstlern.
- Also bei den Teilnehmern. Nicht bei den Künstlern.
- Das Wort mag ich nicht mehr. Also das Wort Künstler.
- Also bei den Teilnehmern.
- Pause.
- Es gab eben die, wo ich, als ich herumgegangen bin, gesagt hätte, da geht es um die Arbeit.
- Die wurden allerdings, wie ich das gesehen hab, überhaupt nicht wahrgenommen.
- Dann gab es die, die ... ähm ... schon mit dem Verkaufsaspekt rangegangen sind.
- Also wo die Arbeiten wirklich vom Motiv her so gemacht waren, dass es etwas ansprechen soll, der kommt und der es dann halt kaufen soll.
- Also wie zum Beispiel so kleine Plastiken, wo sich ein stilisierter Mann in einem Laufrad für Hamster dreht.
- Also total einfache ...
- Platte!
- ... Darstellungen.
- Aber das haben sich viele angeguckt!
- Das hat viele angezogen!
- Pause.
- Und dann gab's noch jemanden, dessen Stand war so überfüllt die ganze Zeit.
- Der hat richtig Umsatz gemacht.
- Und zwar mit 20-Euro-Arbeiten.
- Das waren aber keine Arbeiten. Das waren Souvenirs eher.
- Der hatte die auf die Wand übereinander und nebeneinander gehängt.
- Das waren kleine Bilder, die hat der höchstwahrscheinlich im Internet ausdrucken lassen und irgendwie mit einer glänzenden Oberfläche ...
- Und die hat der halt für 20 Euro verkauft.
- Und drei Stück für 50 Euro.
- Das war sowas wie ein Souvenir.
- Die Leute waren immer an diesem Stand und der war genau neben unserem.
- Also hinter unserem.
- Der hatte dann auch graue Kisten voll mit diesen kleinen Dingern.
- Die einfach nur bunt waren.
- Aber wo anscheinend viele der Besucher sich gesagt haben: Das kann ich mir aufhängen und für zwanzig Euro kann man da nichts falsch machen.
- Und es ist doch Kunst!
- Es ist von einem Künstler!
- Pause.
- Einer der Teilnehmer wollte uns beibringen, wie man richtig Arbeiten da verkauft.
- Ein Schwätzer!
- Pause.
- Die Kunstmesse war einfach nicht klar. Also es war kein Fokus auf eine bestimmte Klientel.
- Also auf bestimmte Besucher.
- Irgendwie wurde alles durcheinander angesprochen.
- Von denen, die nur zwanzig Euro ausgeben wollen.
- Was dann jahrmarktmäßig rüberkommt.
- Und ... äh ... den Teilnehmern, die ...
- Wo ich das Gefühl hatte, die stellen wirklich Arbeiten aus, die sie auch selbst als Arbeiten betrachten. Also als gute Arbeiten.
- Die dann aber eben nicht wahrgenommen wurden in dem bunten Durcheinander auf den Nachbarständen.
- Wo nichts verkauft wurde.
- Die nicht diese Marketingdinger mitgemacht haben und keine Süßigkeiten verteilt haben.
- Pause.
- Was dann aber auch wieder für den Besucher zu einem Problem wird.
- Der weiß gar nicht ... Der kann gar nicht wissen, was das jetzt hier ist!
- Pause.
- Wenn die Messe einfach klare Regeln gemacht hätte und auch durchgesetzt hätte ...
- Der und der Abstand muss sein bei den Arbeiten.
- Die dürfen nicht auf dem Boden gestapelt werden!
- Es dürfen keine 20-Euro-Souvenirs als Kunst verkauft werden!
- Getarnt als Kunstwerk!
- Vom Publikum als solches verstanden!
- Es dürfen keine Visitenkarten auf dem Boden verstreut werden!
- Es wäre gut gewesen, wenn den Teilnehmern davor eine Benimm-Liste gegeben wäre.
- Wo drauf steht, wie sie sich verhalten sollen.
- Pause.
- Es gab unterschiedlichste Arten, wie die Messeteilnehmer auf die Besucher zugegangen sind.
- Einer, den fand ich sympathisch, der hat sich komplett zurückgehalten. Da musste der Besucher auf ihn zugehen.
- Der hat die Besucher nicht mit dem Blick fixiert und versucht zu umgarnen.
- Der hat aber auch nichts verkauft.
- Pause.
- Wir sind so ein Mittelweg gegangen und haben gesagt, wer wir sind und wenn sie Fragen haben, können sie uns fragen.
- Dann sind wir aber wieder einen Schritt zurückgetreten und haben woanders hingeguckt.
- Dann gab's auch die, die waren richtig aggressiv!
- Die sind direkt zu einem und wollten einen in einem Gespräch festhalten.
- Der eine hat dann auch sogenannte Witze gerissen, über die er nur selbst gelacht hat.
- Die er wohl jedem Besucher erzählt.
- Einfach weil er denkt, die Situation damit aufzulockern.
- Pause.
- Bei dem Stand hab ich mich unwohl gefühlt.
- Gefangen!
- Ich konnte gar nicht mehr gehen, ohne dass ich wusste, sein Blick durchbohrt meinen Rücken.
- Pause.
- Das Verhalten von einigen Teilnehmern war schlimm!
- Der eine, der einfach in eine fremde künstlerische Arbeit hineingetatscht hat.
- Einfach weil er Lust hatte und das als Spaß angesehen hat.
- Gerade von einem Teilnehmer könnte man denken, dass sie selbst Achtung vor den Arbeiten haben.
- Gab's nicht!
- Pause.
- Zwischen den Teilnehmern gab's so ein Tratsch.
- Wo über andere Teilnehmer leise geredet wurde.
- "Da wurde wieder was verkauft!"
- "Die da verkauft ja immer ganz viel!"
- Messerscharfe Blicke in müden Gesichtern.
- Pause.
- Ich musste aufpassen, dass ich nicht in so einen Witz reinkomme, den man nur macht, um eine schlechte Stimmung zu übertünchen.
- Davon ist da einiges passiert, bei anderen Teilnehmern.
- Die genau solche Witze gerissen haben.
- Pause.
- In dem Bereich wo wir waren, haben wenige verkauft.
- Außer der, der die Souvenirs hatte.
- Für zwanzig Euro.
- Pause.
- Die eine Teilnehmerin ist nur noch rumgeschlürft.
- Hat sich mit Kaffee voll gepumt, weil der gratis war.
- Und um den Kaffeegeschmack wieder loszuwerden hat sie Alkohol getrunken!
- Dann hat sie noch ein Sektglas umgeschmissen und hatte so eine Traurigkeit im Gesicht.
- Mit der wollte ich nicht reden.
- Pause.
- Da gab's noch Besucher, die viel reden wollten.
- Denen ging es nicht um die Arbeiten, sondern die haben bloß eine Eintrittskarte gekauft, um reden zu können.
- Die eine Teilnehmerin hatte sich dann hinter uns versteckt und gesagt, dass da gleich jemand kommt, der redet immer so viel.
- An einem anderen Tag kam eine Frau rein, die hat mich in ein Gespräch verwickelt, wo ich überhaupt nicht mehr rauskam.
- Ihr ging es gar nicht um die Arbeiten. Die wollte über ihr Leben reden.
- Ich hab dann hinter meinem Rücken wild mit dem Handy gefuchtelt, damit Evi sieht, dass ich Hilfe brauche.
- Er mich anrufen soll, damit ich der Frau sagen kann, dass ich ein Telefonat führen muss!
- Hat nicht geklappt.
- Danach war ich so leer, dass ich rausgehen musste.
- Ich hatte nichts mehr im Kopf drinne!
- Die Frau ist dann einen Stand weitergegangen und hat da wieder von vorne angefangen.
- Wir haben eine Teilnehmerin, die sie gerade fokussiert hatte, angerufen, damit wenigstens sie nicht meinem Schicksal erliegen musste.
- Befreit sie von der Frau!
- Die hat mit dem einen Teilnehmer über zwei Stunden geredet.
- Er kam nicht von ihr los.
- Sie kommt einfach immer wieder zurück!
- Ich bin immer einen Schritt zurückgegangen und hab ihr mehrmals noch viel Freude auf der Kunstmesse gewünscht.
- Sie hat's immer wieder geschafft einen Schritt näher zu mir zu kommen und wieder weiterzureden.
- Die kam so nah. Wir haben uns immer im Kreis gedreht.
- Ich bin dann immer einen Schritt zur Seite.
- Sie kam dann wieder einen Schritt hinterher.
- Pause.
- Auf der Messe haben sich Menschen getroffen, die unterschiedlicher nicht sein können.
- Da haben sich Abgründe aufgetan!
- Warum Menschen diese Messe besuchen!
- Wie sie missbraucht wird!
- Wo Sachen als künstlerische Arbeit getarnt verkauft werden!
- In Massen produziert, mit beliebigem Motiv.
- Als Kunstwerke betitelt.
- Pause.
- Das ist schrecklich.
- Pause.
- Das Wort Kunstwerk war immer irgendwie im Raum.
- Das Wort Kunstwerk das verwende ich eh nicht gerne.
- Pause.
- Andere Teilnehmer haben versucht ein geheimes Band mit einem zu schnüren.
- Also dass wir ja richtig gute Kunst machen, auch wenn sie sich nicht verkauft.
- Dabei ging es denen gar nicht um die Sachen, die wir gemacht haben, sondern eigentlich nur darum, dass sie sich mit uns verbündeln wollten.
- Sie wollten in unsere Gruppe.
- Ihre Kunst durch unsere Arbeit bestätigen lassen!
- Pause.
- Als dann eine Schulklasse vorbeikam, hatte der, der die Süßigkeiten verteilt ...
- Der mit der Naschschale.
- Der hat die dann weggetan. Die hätten ja alles aufgegessen. Und daran verdient er dann nichts.
- Pause.
- Die Schüler haben sich nicht interessiert, sondern die Lehrer hatten sich interessiert.
- Die haben denen Zettel gegeben, die sie abarbeiten sollten.
- Pause.
- Das klingt alles negativ.
- Pause.
- Ich fand ...
- Ich hatte viele Erkenntnisse, aber immer bloß diese, ...
- Also das, was ich nicht will, das weiß ich jetzt.
- Ich weiß, dass ich auf so einer Kunstmesse wie in Magdeburg nicht sein möchte.
- Pause.
- In Leipzig möchte ich noch einmal auf so eine Kunstmesse mit Evi gehen, als Besucher.
- Um zu gucken, ob das hier das selbe ist.
- Ob das eine Masche ist.
- Ein System ist, was weltweit so funktioniert.
- Pause.
- Wenn ja, wäre das grauenhaft.