Friedrich Fröhlich

Kunststudium

Seit nunmehr acht Monaten bin ich dabei das während des Kunststudiums Notierte für den Druck vorzubereiten. Stundenlange Selbstgespräche habe ich dafür nachträglich transkribiert. Mit Druckereien und Buchbindern Kontakt aufgenommen. Der Druck steht nun an. Im Oktober wird dann die Blättersammlung der Buchbinderin übergeben. Es wird ein Buch mit studiumbezogenen Inhalten geben, ein Buch mit transkribierten Selbstgesprächen und drei kleinere Bücher mit den Gesprächen über Kunst. Hier ein mögliches Vorwort, Fassung vom heutigen Tag.

Vorwort

Seit Beginn des Kunststudiums an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig notierte ich - zuerst nur für mich - das dortige Geschehen. Mit der Zeit entstand eine beachtliche Sammlung, die drohte im Chaos zu versinken, würde ich mich dem nicht entgegenstemmen. Über die Jahre hinweg entwickelte ich ein Format, wo auch der mir Fremde auf einer dafür erstellten Internetseite das Notierte einsehen und u. a. nach Kursen, Werkstätten, Klassentreffen, Konsultationen, Studienreisen und Ausstellungen durchsuchen konnte.

Kunstsystem

Für mich war vor Beginn des Studiums Kunst, Künstler und Kunststudent ein von Mythen umranktes in sich abgeschottetes System. Als Außenstehender erhält man nur spärlich Einblick. Sicherlich, der jährliche Rundgang lädt zum Inspizieren der Kunsthochschule ein, die Ausstellung vermittelt Besuchern Kunst und Künstler, es gibt das Offene Atelier und das Künstler-Gespräch. Aber einen allumfassenden, sich nicht nur selbst rühmenden Einblick, der bleibt einem verwehrt. Freilich, mein Notiertes ist subjektiv, nur mein eigenes künstlerisches Interesse betreffend, im Umfang von daher stark eingeschränkt. Und doch ist es mehr als ein "Tag der offenen Tür", wo sich Kunst und Künstler von ihrer besten Seite verstanden wissen möchten. Das Offenlegen studienrelevanter Inhalte traf nicht nur auf Zustimmung. Es gab auch jene, die mein Tun kritisch beäugten. Streit, monatelanger Zwist war die Folge.

Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken

Ich habe bei Daniel Paul Schreber, der viele Jahre in Nervenheilanstalten zubrachte und darüber 1903 die Schrift "Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken" veröffentlichte, passendes gefunden und möchte es mir gerne einverleiben: "Jedenfalls liegt mir die Absicht eines Angriffs auf Ihre Ehre durchaus fern, wie ich denn überhaupt gegen keinen Menschen irgendeinen persönlichen Groll hege, sondern mit meiner Arbeit nur den Zweck verfolge, die Erkenntnis der Wahrheit auf einem hochwichtigen, dem religiösen Gebiete, zu fördern." (Hierbei sei "religiös" durch "künstlerisch" zu ersetzen.) Nun, fünf Jahre und sechs Monate später, beende ich mit Abschluss als Diplom-Künstler (allerdings nur als durchschnittlicher, also als Durchschnitts-Künstler) die Aufzeichnung und übergebe sie dem Medium Buch. Als letzten Akt sozusagen. Die Aufzeichnungen waren mir viele Jahre lang ein Ort, an dem ich mich oft und gerne aufhielt, ihn selbst zum recherchieren nutzte, dort meine geführten Gespräche über Kunst sammelte und ihn mit eigenen Standpunkten zur Kunst allgemein, zum Kunststudium und zur eigenen künstlerischen Arbeit im Speziellen füllte. Hier liegt nun das Ergebnis jener Jahre vor Ihnen. Insgesamt fünf Bücher, tausende von Seiten, zahlreiche Abbildungen, viele Selbstgespräche, Unmengen an Ausstellungsbesuchen und viele Notizen zu kunstgeschichtlichen und philosophischen Kursen, zur Werkstattarbeit, zu Klassentreffen, zu Konsultationen. Streckenweise wird Ihnen das Notierte langweilig, ermüdend, oberflächlich, wiedergekaut, kopiert vorkommen. Aber auch das gehört zu einem Studium. Demgegenüber steht Geschriebenes, das den Nerv trifft, Zweifel schürt, einen ermutigt fortzufahren und - am wichtigsten - zum Schmunzeln bringt. Friedrich Fröhlich Leipzig, im Oktober 2018