Zwei Papierarbeiten sind die letzten Tage entstanden. Bei beiden habe ich als Vorlage jeweils eine A4-Blatt-Zeichnung genommen, die auf meiner letzten Reise nach China und Japan als Art Tagebuch entstanden. Als Untergrund der ersten Zeichnung (WV 23-1) nahm ich viele A4-Blätter, reihte sie neben- und untereinander, beschnitt ein paar Blätter und kam so auf das Format 70 x 100 cm. Wie bei der zweiten Zeichnung kamen hier allerlei unterschiedliche Stifte zum Einsatz: Bleistifte, Buntstifte, Filzstifte und Pastellkreide. Zuletzt schrieb ich meinen später transkribierten Tagebucheintrag vom 20.7. unten in etwas krakeliger Schrift auf: "Total heiß. Pool. Flugzeug. Sonnenschirm. Wasserflasche. Uhr auf dem Tisch. Boot vorm Pool. Kleinere Sonnenschirme. So nen komisches ... ähm ... Luftding. Was im Wasser schwimmt. Ein Einhorn. Berg im Hintergrund. Mit so linienförmig angeordneten Pflanzen. Irgendwelche Antennenmasten. Unglaublich heiß."
A4-Format
Ein A4-Blatt hat eine Größe die ich - eben rein von der Größe her - gut beherrschen kann. Mit nur einer leichten Armbewegung komme ich von oben nach ganz unten. Der Platz bietet soviel Raum, dass dort, je nach Größe des Dargestellten, recht wenig dargestellt werden kann. Die Darstellung der Motive ist von sich aus detailliert. Selbst die dicksten in Geschäften gefundenen Filz- und Buntstifte wirken nicht monoton flächig. Um auf das Format 70 x 100 cm zu kommen, benötige ich mehr als 9 A4-Blätter. Der Raum wird riesig, selbst die dicksten Linien wirken auf der Fläche verloren. Das heißt: Der Freiraum muss gefüllt werden. Entweder mit mehr Strichen oder mit mehr Details. (Details wären bei der Armbanduhr das Ziffernblatt, im Pool kleine Wellen, bei dem angebauten Obst der Stamm, beim Rasen die Grashalme.)
Kinderzeichnung
Das Format finde ich gut. Es stellt den bewusst eingeläuteten Übergang vom Kind zum Künstler dar. Das Kind bekommt - ohne selbst entscheiden zu können - Blätter vom Erwachsenen. Meist A4- und A3-Blätter. Halt das, was der Erwachsene gerade vorrätig hat. Der Künstler entscheidet selbst über das Format. Und doch möchte ich, dass der Ursprung, die Kinderzeichnung, als Teil der Arbeit deutlich hervortritt. Bei Aneinanderreihung von A4-Blättern sieht der Betrachter durch Licht und Schatten begünstigt die vormaligen Begrenzungen.
Kariertes Papier
In der zweiten Arbeit (WV 23-2) ging ich, was den Untergrund anbelangt, einen anderen Weg. Oftmals sehe ich Kinderzeichnungen auf liniertem oder kariertem Papier. Wieder abhängig davon, was der Erwachsene meint dem Kind geben zu wollen. Anstatt nun wieder viele A4-Blätter aneinanderzureihen, nahm ich eine 70-cm-breite Papierrolle, so wie Künstler sie besitzen, schnitt das Blatt in der Länge zu und zeichnete auf dem blanken Blatt Papier ein Karomuster nach. (Ein Rechteck hat dabei die Ausmaße 5 x 5 cm.) Wie die A4-Blätter gibt das Karomuster mir eine Art von Sicherheit. Sie strukturieren die Fläche, ordnen Elemente zu Gruppen, geben überblickbare Begrenzung. Im Unterschied zur ersten Papierarbeit wurde das zweite Blatt immer weiter gedichtet. Ungewollt. Nur bei einer so großen Fläche fällt es auf, wenn ein Motiv, wie der Baum, von weiter Weg nur noch ein dunkler Klumpen ist und drumherum luftleerer Raum. Das schaut, wenn nicht bewusst eingesetzt, nicht stimmig aus. So füllte sich das Blatt zunehmend mit der Zeit. Geblieben ist bis zum Ende das leicht durchscheinende Karomuster, an dem ich mich - bewusst oder ungewollt - die ganze Zeit über orientierte. Anstatt viele A4-Blätter aneinanderzukleben, gefällt es mir, im Nachhinein gesehen, wenn ich nur ein großes Blatt nehme, es aber entweder in Karos einteile oder später mit Bleistift das A4-Format auf dem Papier zart andeute. Als Vorlage diente bei der zweiten Zeichnung ebenfalls ein Tagebucheintrag vom 20.7.: "Viele kleine blaue ... äh ... Zelte. Also blau das Dach. Mit Metallstangen. Davor ne alte Frau mit nem Regenschirm. Als Sonnenschutz. Mit nem roten ... äh ... Hemd. Und langen schwarzen lockeren Hosen. Die Sonne knallt. Es ist extrem warm. Polizist. Mann zeigt seinen Bauch. Sehr dicker Bauch. Doch kein Polizist. Verkäufer. Ein Mann zeigt seinen Bauch. Blauer, schwarzer und roter Mülleimer nebeneinander. Viele weiße Autos. Überwachungskameras. ". Anders als bei der ersten Zeichnung habe ich hier nun viel mehr im Detail gearbeitet. Größere Flächen sind von feinen Bleistiftlinien durchzogen. Beide Arbeiten gefallen mir. Ich betrachte sie bisher als Übung. Wie schon angedeutet werde ich mich zukünftig aber auf ein großes Papier begrenzen, also nicht mit richtigen A4-Blättern arbeiten. Stattdessen dann mit feinem Bleistift das von Kinderzeichnungen herrührende Format A4, ein Linienmuster, oder ein Karomuster, skizzieren.
Kopist
Der Anfang vom Übergang eines bloßen Kopierens kindlicher Zeichnung hin zu einer eigenständigen Arbeit ist getan. Der Kopist, als welchen ich mich einmal bezeichnete, soll vergangen sein.