× Aufzeichnungen eines Kunststudenten. Dies ist die Niederschrift zu meinem Kunststudium an der HGB Leipzig.
Folgend einige Hinweise dazu:

(1) Ich möchte niemandem schaden. Ich möchte aber meine Studienzeit in all seinen Facetten festhalten. Dabei ist alles von Interesse, was mit dem Studium an der Hochschule, mit Kunst allgemein und mit meiner eigenen Arbeit im Speziellen zu tun hat.
(2) Fehlerhafte Informationen sind – ungewollt – Teil der Notizen. Sie sind meinem Wissensstand, der Konzentration in stundenlangen Sitzungen und schlecht lesbaren handschriftlichen Notizen geschuldet.
(3) Zitate sind nur hinterlegt, wenn ich mir sicher bin, dass es so gesagt wurde. Die Zitate sind aus dem Zusammenhang gerissen. Das ist nicht böswillig.
(4) Meine künstlerische Arbeit hat größtenteils die Suche und den Zweifel zum Thema. In Einzelgesprächen mit Professoren, Werkstattleitern und Dozenten nehme ich dessen Ansichten wahr und verarbeite diese später in den Notizen. Deshalb bin ich jetzt da, wo ich stehe. Wenn ich einen Hochschulangestellten also mit seiner Meinung darstelle, darf er sich freuen, Teil meiner künstlerischen Entwicklung zu sein.

Leipzig, den 13. Dezember 2016
Redigierte Fassung vom 25. Mai 2018


Klasse Bildende Kunst
HGB Leipzig

Jonathan Meese

aktueller Zustand
aktueller Zustand
Website Kunststimmen gegen Armut (Diese Seite ist zur Zeit leider nicht erreichbar, 7.12.2016)
Website "Kunststimmen gegen Armut" ("Diese Seite ist zur Zeit leider nicht erreichbar", 7.12.2016)
Jonathan Meese zeigt während Theateraufführung in Mannheim den Hitlergruß, © Uli Deck
Jonathan Meese zeigt während Theateraufführung in Mannheim den Hitlergruß, © Uli Deck
Installation mit 1250 Gartenzwergen, Ottmar Hörl
Installation mit 1250 Gartenzwergen, Ottmar Hörl
Sediment Sampling, 2014, Karin Lehmann
Sediment Sampling, 2014, Karin Lehmann
Replik von Duchamps Fountain, Musée Maillol, Paris, ©  Micha L. Rieser
Replik von Duchamps Fountain, Musée Maillol, Paris, © Micha L. Rieser
Ausstellungsansicht, Jeff Koons, Museum Pompidou, 2015, © Thomas Clement
Ausstellungsansicht, Jeff Koons, Museum Pompidou, 2015, © Thomas Clement
Infinity, 2001, Damien Hirst
Infinity, 2001, Damien Hirst

Mittwoch, 7. Dezember 2016

Herme Herme Link Werkstatt Plastisches Gestalten Link Dozent Dozent rät, 1:5 oder 1:10 Modell von Herme herzustellen Mit Ton oder Knete und Karton als Sockel aktueller Zustand bueste-k.jpg Link Link Holzstück von Bachmann für Schnitztest erhalten 5 h durchgearbeitet Diplom Theorie Link Gespräch mit Alexander Link
  • Ja.
  • Ähm … Wenn ich es richtig verstanden habe, würdest du sagen … ähm … Dieses Gedicht, was an Frau Merkel geschickt wird … ähm … wo sie angemacht wird, oder so, … ähm … würde bei einem Handwerker, der das jetzt schreibt, der kein Künstler im eigentlichen Si… der kein Künstler ist, so normalerweise, … Wird das als … Was? Beleidigung oder so …?
  • Wahrscheinlich ja.
  • Als Tatbestand der Beleidigung. Genau so. Wenn … Wenn jetzt aber ein berühmter Künstler das macht … Ein Dichter, der da schon No… No… No… No… Nobelpreis oder so bekommen hat … Und der macht das … Würde das dann immer noch … Oder würdest du dann sagen, dass hängt eben von der Person ab, die das macht. Das kann ganz gleich aus sehen. Das Gedicht.
  • Sowohl als auch. Er hat vieles gemacht, was andere vielleicht nicht getan hätten. Er hat das ganze nicht einfach nur Gedicht genannt, sondern er hat es absichtlich Schmähgedicht genannt.
  • Wer?
  • Der … Derjenige … Ich weiß nicht. Wie heißt denn der Moderator, der das dann gemacht hat?
  • Okay. Wir kennen ihn jetzt.
  • Ja. [Lacht.]
  • Das heißt Schmähgedicht?
  • Ja genau. Er hat's … Er hat von vorne herein gesagt … äh … Er hat ein Schmähgedicht geschrieben.
  • Aber hat er sich damit nicht gleich selbst …
  • Und er hat es glaube ich auch öffentlich [Sperren: vorgetragen]. Und zwar vor einem Millionenpublikum.
  • Okay.
  • Und das ist natürlich schon einmal etwas Anderes. Und er ist auch bekannt dafür, dass er … äh … ähm … s… sehr hart …
  • Ja.
  • … mit …
  • Ja.
  • Unterschied öffentliches und privates Äußern
  • … anderen Menschen umgeht. Und … Und ins Rampenlicht … Ins Rampenlicht … Oder in das Licht rückt. Ja? Das ist natürlich etwas Anderes, als wenn jetzt der … der Handwerker, der sich über Frau Merkel geärgert hat, über ihre meinetwegen Steuerpolitik, oder [Lauter:] ihre Asylpolitik …
  • Mhm.
  • … ähm … sich zu Hause hinsetzt, sie in einem Gedicht, in einem Reim … [Nicht verständlich, 53:36.] beschimpft, …
  • Mhm.
  • … das ganze in einen Briefumschlag steckt und an sie persönlich adressiert. Ja? Also der … Die Wirkung dieses … dieses Handelns ist ja etwas ganz Anderes.
  • Kunst durch Wiederholung
  • Darf ich jetzt noch einmal ganz kurz dazu eine Frage stellen? Wenn der Handwerker jetzt, fünf Mal so ein Gedicht schreibt und an sie schickt … Würdest du das dann eher schon als Kunst betrachten? Weil er es ja wiederholt tut, was du vorhin gesagt hattest? Oder … Weil dann ist es nicht mehr so … so 'ne … so 'ne plötzliche Handlung, die man einmal macht. So. Sondern es wird es ja eben doch schon … ähm … etwas Dauerndes.
  • Ich …
  • Oder ab wann würdest du denn sagen, wäre das Kunst? Wenn er das zwanzig, dreißig Mal macht? Wenn er das öffentlich macht? Wieso ist das dann bloß Kunst, wenn er das öffentlich macht und nicht direkt an Frau Merkel …?
  • [Pause.]
  • Zum Beispiel. Nur mal ein ganz kurzer Hinweis. Es gab mal so eine Kunstaktion von irgendwelchen … kleineren Kü… Kü… also Künstlern und Hobbykünstlern. Das wurde im Internet gestartet, wo … wo irgendwas mit der Politik von Frau Merkel kritisiert wurde. Und Frau Merkel sollten halt ganz viele Kunstwerke geschickt werden. Von den Künstlern halt. Das heißt, die Künstler haben halt etwas gemalt, haben das eingepackt und ans Bundes… Was ist das? Bundes… Wo wohnt die? Bundes…? Website "Kunststimmen gegen Armut" ("Diese Seite ist zur Zeit leider nicht erreichbar", 7.12.2016) kunststimmen-gegen-armut-k.jpg
  • Bundeskanzlerin. Also Bundeskanzleramt.
  • … Ans Bundesamt … Bundeskanzleramt geschickt.
  • Ja.
  • So. Und dann haben die eine Bestätigung dafür bekommen. Es ist angekommen. Ob sie die jemals gesehen hat, wissen wir nicht. Aber es ist sozusagen etwas, was nie öffentlich wurde, sondern was entweder im Lager jetze ist … oder sonst wo.
  • Ja.
  • [Wird laut.] Weil [Sperren: du] gesagt hattest, der Handwerker … ähm … Bei dem siehst du das …
  • [Versucht zu unterbrechen.]
  • … nicht als Kunst an. Aber warum …
  • [Versucht erneut zu unterbrechen.]
  • … ist das dann jetze, auch wenn's im Geheimen ist, nicht im Öffentlichen, von Künstlern, die sich Künstler [Sperren: schimpfen] … Nee, die sagen, sie [Sperren: wären] Künstler. Warum ist das dann gleich Kunst. Nur weil sie sagen, sie sind Künstler?
  • Also ich … Ich würde gerne von diesen beleidigenden Gedichten weg gehen. Weil … Weil das für mich auch nicht so greifbar ist. Genauso gibt's ja auch Kunstaktionen, da … da haben mal Linke-Abgeordnete im Bundestag … äh … glaube ich … äh … äh … ähm … Papierrollen oder so auf die Abgeordneten geworfen. Oder irgendwas, was …
  • Ja.
  • … was da gemacht worden ist. Und sie … Jonathan Meese Jonathan Meese zeigt während Theateraufführung in Mannheim den Hitlergruß, © Uli Deck meese-k.jpg
  • Nur der Hitlergruß oder so wurde oft schon auch als Kunst …
  • Äh … Ja, genau. Sie haben es eben als Kunstaktion verstanden und waren der Meinung, das ist auch von der Kunstfreiheit gedeckt. Aber … äh … Immer … Immer wenn es um so'n schäbiges Verhalten geht, tue ich mich schwer damit, das abzugrenzen. Was ist zulässig und was ist …
  • Es ist ein riskantes Verhalten. Schäbig … Das … äh … sagst du jetzt ja wieder. Installation mit 1250 Gartenzwergen, Ottmar Hörl Ottmar Hörl hitler-zwerg-k.jpg
  • Ja das stimmt. Das ist eine Wertung, die ich da schon mit drin hatte. Aber ich will eigentlich … Vielleicht hab' ich sie deswegen mit reingenommen, weil es mir auch so schwer fällt, an dieser Stelle die Grenze zu ziehen.
  • Okay.
  • Greifbare Kunst
  • Ähm … Und … ähm … Für mich ist es viel greifbarer, wenn wir eben über … über … über … ähm … weiß ich nicht … äh … Tontöpfe sprechen. Sediment Sampling, 2014, Karin Lehmann tontoepfe-k.jpg
  • Darüber wollte ich gerade mit dir reden. Das wir mal eher dahin kommen …
  • [Redet während dessen weiter. Nicht verständlich, 56:07.] Das ist einfach etwas Anderes.
  • Ja okay.
  • Das ist greifbarer.
  • Genau. Also das wir nicht an so Extremen bleiben, die gar nichts mit dir zu tun haben. Sondern mir geht's ja eher darum zu wissen, was ist eigentlich dein Zugang zur Kunst. Und das hat nichts mit … äh … einem Hitlergruß oder irgendwelchem Papier, was da runter fällt, oder …
  • Genau.
  • Duchamp Marcel Duchamp Pissoir
  • So. Ich will dir trotzdem mal ein Bild zeigen. Tipp mal bitte bei Google Google
  • Ja.
  • Duchamp … De. Uh.
  • Ich gehe jetzt erst einmal zu Google.
  • Okay.
  • Ach so ich glaub' ich bin sogar automatisch …
  • … auf Google.
  • … auf Google drinne. Also was soll ich eingeben?
  • Duchamp. De. Uh. Ce. Ha.
  • [Pause.]
  • Ah. Em. Pe. Pissuar.
  • [Tippgeräusche.]
  • [Sperren: Pe.] [Sperren: Ie.] Irgendwas. Dann zeigt er's schon an. Glaube ich. Replik von Duchamps Fountain, Musée Maillol, Paris, © Micha L. Rieser pissoir-k.jpg
  • [Pause.]
  • So. Jetzt gehst'e mal zu Google Bilder oder öffnest das erste Bild einfach.
  • [Pause.]
  • Einfach das erste Bild öffnen.
  • [Tippgeräusche.]
  • Und groß machen. Genau.
  • [Pause.]
  • So. Gehen wir davon aus, du bist in einem Museum und siehst genau das jetze.
  • [Pause.]
  • Du weißt nichts über ihn. Du weißt nicht, wann es gemacht wurde. Du weißt nicht, welcher Künstler das ist. Und …
  • [Pause.]
  • Was ist dein … Was …
  • Mhm.
  • Was passiert bei dir?
  • Also zum Beispiel. Das Spannende … Also das erste, was erst einmal ist: Ich sehe hier … äh … ein gut abgelichtetes, professionell aufgenommenes … äh … äh … äh … Toilettenbecken. In dem Fall.
  • [Sperren: Nicht] das Abbild. Sondern … Es geht um das Objekt jetzt. Es geht mir nur …
  • Ähm.
  • … um das Objekt.
  • [Pause.]
  • Okay. Ich wollte nur …
  • Jaja.
  • Weil derjenige … Die anderen sehen ja nicht, …
  • Okay.
  • … was ich sehe.
  • Okay.
  • Äh … ähm …
  • Na ich erwähne das schon noch.
  • Das Spannende ist … ähm … äh … Wo mir das gezeigt wird, …
  • Im Internet.
  • Und zwar … Nein nein nein nein.
  • Ach so.
  • Überraschungsmomente bei moderner Kunst
  • Und zwar … äh … Würde ich jetzt in eine moderne Ausstellung gehen, …
  • Ja.
  • … ähm … Da wird man mit allerlei Dingen überrascht.
  • Ja.
  • Ja. Also ich meine, da gibt's dann auch … äh … ähm … Weiß ich nicht! Eine Schüssel mit ausgespucktes Kaugummis.
  • Hast du das gesehen? Oder ist das ein Beispiel, ein fiktives?
  • Ähm. Ich … Als ich im Museum Pompidou war … äh … da gab's auch moderne Kunst. Teilweise. Und zwar sind dort … war dort eine Ausstellung … ähm … äh … im siebziger Jahre Stil gemacht. Äh … Sehr plüschig. Und poppig. Und …
  • Mhm.
  • Porno oder Kunst?
  • Und man hat … äh … ähm … Sexualakte gesehen. Also man hat halt einen erigierten Schwanz gesehen. Der dann halt in eine Vagina [Sperren: eindringt]. Äh … Und bevor man in diesen Raum reingegangen ist, war halt, … war nicht nur eine Warnung, dass Minderjährige keinen Zutritt haben, sondern es war auch … äh … ähm … ein Einlasser, einer der davor stand, ein Museumswärter, der eben darauf aufgepasst hat, dass keine Kinder Einblick in diesen Raum nehmen. Ausstellungsansicht, Jeff Koons, Museum Pompidou, 2015, © Thomas Clement koons-pompidou-k.jpg
  • Mhm.
  • Und … ähm … äh … Das … Das hatte mich überrascht. Das in dieser Größe dort zu sehen. Und auch in dieser Öffentlichkeit. Und … äh … Das Menschen … ähm … ähm … mehrere Minuten verharren davor und … und sich das ganze auf sich wirken lassen. [Sperren: Weil] ich hab' das eigentlich jeden morgen, wenn ich auf irgendeine Pornoseite gehe. Und ich hab' die selben Bilder.
  • Okay.
  • So.
  • Ich anonymisiere dich.
  • [Lachen.]
  • So. Und … äh … Wenn ich morgens im Bett liege und mir einen runterhole und ich sehe da so ein Bild, würde ich überhaupt nicht auf die Idee kommen, dass das … Kunst sein [Sperren: könnte]. Äh … Wenn man allerdings in so ein Museum geht und dann ist da so eine abgestellte … ab… so eine abgeschlossene Fläche und dann wird das sicherlich auch im … in einer ganz bestimmten Art und Weise dargestellt. Und ich glaube, der Künstler, der das da war, der … der hat sich sogar selbst fotografiert. Wie er mit …
  • Mhm.
  • … seiner Frau, diese Handlung vornimmt.
  • Mhm.
  • Ähm … Und ist damit auch bekannt geworden.
  • [Pause.]
  • [Sperren: Mhm.]
  • [Pause.]
  • Glaube ich sehr teuer. Wird als Kunst angesehen. Hat mich in dem Moment Moment überrascht. Man beobachtet andere auch dabei. Und …
  • [Sperren: Wie] heißt der denn noch mal? Ich hab' jetzt das Bild … Das war so ein poppiges Ding, wo er halt liegt und mit seiner Frau …
  • Genau.
  • Sind wir im Kunstunterricht durchgegangen. Der macht jetzt so Pillendöschen und so weiter. Das ist … Der … Der … Der ist sehr provokativ und der hat sich auch gerne selbst erigiert … Infinity, 2001, Damien Hirst Damien Hirst hirst-k.jpg
  • Genau. Genau.
  • [Sperren: Mensch.] Wie heißt der denn.
  • Ich finde es ja jetzt …
  • Ich weiß es jetzt nicht.
  • … ganz toll. Das [Sperren: ich] etwas gesehen habe, was ihr im [Sperren: Kunstmus…] äh … was ihr im [Sperren: Kunststudium] …
  • Unterricht. Und: angucken.
  • Finde ich gerade ganz krass. Äh … Also das hab' ich halt in Paris gesehen.
  • Ja.
  • Reaktion Besucher
  • Im Museum. Und … äh … äh … Das Schöne war in dem Moment auch, die anderen Menschen dabei zu beobachten. Wie sie sich dabei fühlen. Und … äh … manche sind … Die Scham Scham die dabei entsteht! Und … äh … äh … vielleicht … ähm … auch selber überrascht, wie man darauf reagiert. Äh … äh … ähm … So etwas in dieser Öffentlichkeit so dargestellt zu bekommen.
  • [Sperren: Stopp.] Bevor wir da jetzt weiter machen. Ich hab's mir aufgeschrieben.
  • Ja.
  • Du wolltest noch ein Beispiel nennen, was … was … was … was … was als zeitgenössische zeitgenössisch Kunst zählt und wo ein Stuhl ausgestellt ist. Oder keine Ahnung was. Was jetze dem ähnelt …
  • Ja. Nein.
  • … als Objekt.
  • Ich wollte das als Überleitung bringen. Weil es … äh … Hätte ich dieses Bild, was dort im Museum gesehen hätte, morgens auf dem Laptop gesehen, um mir da einen runterzuholen, …
  • Ja.
  • … hätt' ich es niemals als Kunst verstanden.
  • Interessant.
  • Porno = Kunst, da im Museum
  • Aber alleine deswegen, [Sperren: weil] es dort ausgestellt wurde … Alleine deswegen, weil es eine gewisse Größe gehabt hatte. Alleine deswegen, weil es scheinbar einen gewissen Wert hat … Weil es halt … [Sperren: weil] es dort ausgestellt ist.
  • Okay.
  • Weil Menschen sich Zeit nehmen. Und auch Geld in die Hand nehmen. Um sich das angucken zu können, ist es ja zu etwas Besonderem geworden.
  • [Unterbricht, nicht verständlich, 1:01.]
  • Vielleicht auch zu Kunst. So.
  • Pissoir im Kunstraum und in Bahnhofstoilette
  • [Sperren: Dann stell dir jetzt vor], dass dieses Pissoir auf einem Sockel steht …
  • Und [Sperren: genau] …
  • … und mit Glas verdeckt ist.
  • Und [Sperren: genau] das würde ich hier übertragen.
  • In Basel ist das gewesen.
  • Wenn ich …
  • Glaube ich.
  • … am Griebnitzsee in die Bahnhofstoiletten gehe, …
  • Ja.
  • … ähm … mache ich meinen Reizverschluss auf und pinkel da rein. Und … äh … Es ist für mich ein Gebrauchsgegenstand. Und … äh … ähm … Er ist halt auch in einer gewissen … [Pause.]
  • Den treffe ich halt nur in einer gewissen Örtlichkeit. Wenn ich jetzt allerdings auch wieder ins Museum gehe und auf einmal ist das auf einem Sockel … Erhöht. Beleuchtet. Mit Glas drumherum. Ist es auf einmal ein anderer Ort.
  • Ja okay.
  • Ein Ort wie ich es nicht erwarten würde.
  • Okay.
  • Und … äh … ähm … Wenn dann auch noch mehrere Menschen um mich herum stehen und sich fragen: …
  • Ja.
  • Warum wird das hier gezeigt?
  • Ja.
  • Welche Bedeutung hat das? Was hat sich derjenige dabei gedacht, dass er es ausstellt? Dann würde ich es vielleicht auch als Kunst sehen.
  • Du verstehst es dann also als Kunst, wenn's im Museum … äh … äh … ist. Als Beispiel. Und wenn andere darüber reden. Oder wenn's überhaupt durchgelassen wurde als Kunst. Dann sagst du: Okay, andere betiteln das als Kunst, also muss es Kunst sein.
  • Äh … Und genau …
  • Das fände ich jetzt ein bisschen langweilig.
  • Wo beginnt und endet Kunst?
  • Nein. Nein. Genau das habe ich aber schon vorhin versucht ein bisschen deutlich zu machen. Äh … Oft ist es nicht einfach … äh … äh … zu beschreiben, wann Kunst beginnt, wann sie endet.
  • Ja.
  • Und …
  • [Sperren: Wir sind ja schon] im Museum drinne.
  • Genau.
  • Kunst braucht Markt, wird ausgestellt, bekommt Wert
  • Also es wurde schon mal irgendwie als Kunst gesehen.
  • Ich hatte gesagt, am Anfang auch, dass … äh … Kunst einen gewissen Markt hat. Und auch einen gewissen Markt braucht. Damit halt … äh … Oder das Kunst ja auch den … dem Wandel und der gesellschaftlichen … dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen ist. Und in dem Moment, wo es aber öffentlich ausgestellt wird, wo viele Menschen hingehen, unterwirft er sich genau diesen Gesetzen. Auf einmal wird mir bewusst, dass es vielleicht einen gewissen Wert hat. Weil es auf einmal marktfähig wird. Weil es am Markt auf einmal gezeigt wird.
  • Dann hab' ich dich vielleicht mißverstanden. Wenn du jetzt nur "Markt" sagst, verstehe ich jetzt tatsächlich … Dann gibt's einen Markt. Interesse ist ja auch ein Markt.
  • Nein.
  • Meinst du Geldmarkt?
  • Du hast … Nein. Nein. Du siehst das nur im finanziellen Sinne.
  • Na, weil ich das so die ganze Zeit verstanden hatte. Du meinst mit Markt … äh … äh … ähm … äh … den Geldmarkt. Wo es Geld … Wo man Geld für bekommt. Bei deinem Trichter ja auch. Es muss Geld einbringen. So kam ziemlich schnell … [Nicht verständlich, 1:03.] Aber wenn … Aber wenn du jetzt bloß [Sperren: Markt] sagst, dann verstehe ich das jetzt tatsächlich so: Es gibt sozusagen ein Interesse und … äh … und das ist ja auch ein Markt. Ne? Da wird ja sozusagen eine Personengruppe angesprochen. So meinst du das eigentlich?
  • Also …
  • In dem Fall jetze.
  • Markt = Interesse geweckt
  • Also. Marktfähig heißt, dass es Interessengruppen gibt.
  • Okay. Aber das hat noch nichts mit Geld zu tun.
  • Nein.
  • Denn so hab' ich dich nämlich verstanden.
  • Das wäre dann wieder im engeren Sinne. Markt im engeren Sinne. Nämlich in einem finanziellem Sinne.
  • [Sperren: Ah. Und … Und …] Und dein Trichter fing dieser ganz weite Dings nicht mit Geldmarkt an, sondern mit …
  • Richtig.
  • … Markt.
  • Ja. Genau. Weil …
  • Das ist wichtig. Weil ich hatte dann nämlich schon wieder …
  • Nein. Ich hatte ja auch gesagt: …
  • Das hatte mich zu sehr eingezwängt.
  • Derjenige, der nebenbei irgendwas …
  • Ja.
  • … häkelt und das dann auf dem Markt verkauft, …
  • Okay.
  • … muss ja irgendwie die Produktionskosten wieder hereinbekommen.
  • Okay.
  • Das heißt, … äh … ähm. Das ist ja nicht jetzt dieses … äh … ähm … [Sperren: Ja].
  • Gibt es Kunst ohne Markt?
  • Okay. Ähm … Da wollen wir gar nicht näher eingehen, weil dann jetzt eigentlich meine Frage wäre: Was wäre denn jetzt mit mir als Künstler, der etwas schafft und niemandem zeigt? Es gibt keinen Markt deshalb. Und trotzdem sage ich, das ist Kunst.
  • Ja.
  • Weißt du? Dann würdest du das ja ausklammern, wenn du es bereits in deinem Trichter ganz ganz vorne ausgeklammert hast. Darauf wollte ich jetzt aber gar nicht weiter eingehen. Mir geht's jetzt noch einmal um dieses eine Pissoir. Wie du das siehst.
  • Ja.
  • Mir ging's jetzt nicht darum, es ist im Museum … Da sagst du dann: Das muss Kunst sein. Es gibt ja einen Markt dafür. Es geht darum, …
  • Okay.
  • Gute Kunst
  • … was empfindest du denn dabei. Würdest du das als, sagen wir mal … Gute Kunst ist zwar … Es ist halt jetzt eben … Wir definieren nicht mehr Kunst, sondern was für dich gute Kunst ist. So. Sagen wir mal, es ist Kunst. Weil es im Museum steht. Ist es jetzt für dich aber gute Kunst? Beachte noch: Es gibt eine Signatur Künstlersignatur . Macht es diese Signatur zum Kunstwerk? Deshalb stehts da? Oder würde da auch ein ganz normales Pissoir auf dem Sockel stehen können ohne Signatur?
  • Folgendes. Ich würde es mir nicht in die Wohnung stellen.
  • Okay.
  • Ich würd' auch kein Geld dafür bezahlen wollen, um es zu erwerben.
  • Okay. Das kostet. Das ist eine Edition, was du da übrigens siehst.
  • Alltag im Kunstraum
  • Es würde mich aber reizen, in eine Ausstellung mit Freunden zu gehen und dort Ausstellungsge… Gegenstände zu … mir anzuschauen, die … ähm … die vollkommen aus dem Kontext gerissen sind. Die vielleicht sogar schmuddelig, eklig, ähm … anrüchig, uriniert, beschmiert sind.
  • Na das hier ist ja nun ganz sauber.
  • Einfach … Ja … Aber … Ich sage nur …
  • Okay.
  • Einfach, weil es …
  • Aus dem Alltag.
  • … mich aus dem Alltag herausreißt und … äh … in dem Moment vielleicht auch … Eine ganz spannende … ähm … Beziehung wird auf einmal an den Tag hergestellt. So etwas, was für mich ansonsten … Ja, ansonsten ist es ja alltäglich. Man geht auf eine beschmutzte Bahnhofstoilette, ärgert sich darüber …
  • Ja.
  • Aber das auf einmal in einem so cleanen …
  • Kunstraum.
  • … Ausstellungsraum zu sehen. Wo hunderte von Menschen dran vorbeilaufen. Gut gekleidet!
  • Ja.
  • Äh … Oft aus dem Bildungsbürgertum!
  • Ja.
  • Ähm … Das macht's ja gerade so … so spannend.
  • Das ist … Das ist … Das … Das … Das ist jetzt interessant. Weil … ähm … Die Unterscheidung hatte ich selber noch gar nicht so. Für mich war schon … Ein Pissoir … ähm … im Museum stehen zu haben, war halt … ähm … was … ähm … Außergewöhnliches. Damals zumindestens auch so. Und [Sperren: du] unterscheidest jetzt aber zwischen einem Pissoir das sauber ist, das signiert ist, der im Museum steht. Und einem Pissoir der im Museum steht und uriniert dreckig ist. Wie er normalerweise nach einem Tag vielleicht ausschaut. Wenn er nicht gereinigt wurde.
  • Nein. Ich …
  • Aber erst in dem Moment, wo … wo … wo … wo er ja benutzt wurde … Oder er sieht benutzt aus. Sagen wir es mal so. Wenn's ein Künstler gemacht hat, der kann's ja auch gemalt haben. So. Äh … ähm … Dann wird der Besucher ja wieder in seinen Alltag hineingerissen. Aus diesem Kunstraum hinaus.
  • Ja.
  • Wenn der jetzt so sauber ist, dann erinnert man sich zwar daran. Das gibt's in meinem Alltag. Aber man keine Emotionen wirklich dazu. Ne? Das ist erst mit dem Geruch und mit dem Aussehen und so …
  • Ja.
  • … kommt der Ekel.
  • Also ich hab' gesagt, dass es für mich dann spannend wäre, mir solch eine Ausstellung anzuschauen.
  • Gibt's vielleicht. Muss ich mal gucken.
  • Nur diese sauberen, cleanen … äh … ähm … WCs …
  • Mhm.
  • Würde mich nicht reizen.
  • Okay.
  • Und wäre für mich nicht spannend. Würde ich übrigens auch keinen Eintritt für bezahlen wollen.
Der Krieg (Triptychon), 1929/32, Mischtechnik auf Holz, Otto Dix, © VG-Bildkunst Bonn
Der Krieg (Triptychon), 1929/32, Mischtechnik auf Holz, Otto Dix, © VG-Bildkunst Bonn
Farbentwurf für Triptychon Der Krieg, um 1929, Aquarell über Graphit auf weißem Karton, Otto Dix, © VG-Bildkunst Bonn
Farbentwurf für Triptychon "Der Krieg", um 1929, Aquarell über Graphit auf weißem Karton, Otto Dix, © VG-Bildkunst Bonn
Skizze, Fotoleinwand mit Farbe
Skizze, Fotoleinwand mit Farbe
The Diagonal of May 25, 1963, 1963, Leuchtstoffröhre, 243,8 cm, Dan Flavin
The Diagonal of May 25, 1963, 1963, Leuchtstoffröhre, 243,8 cm, Dan Flavin
Horizontal, Paul McCarthy, Schinkel Pavillon
Horizontal, Paul McCarthy, Schinkel Pavillon

Mittwoch, 9. Dezember 2015

Triptychon Triptychon Link Triptychon seit Mittelalter in abendländischer Kunst als Altar- und Andachtsbild von zentraler Bedeutung dreiteiliges Bild mit betontem Mittelteil Mittelteil: "dem Dargestellten eine gewisse Form der Würde verleiht" verbunden mit Bedeutung, Spiritualität, Würde klassische Funktion (betonte Mitte, schmalere Seitenteile, ursprünglich religiös) tritt in Hintergrund neue Themen und Motive u. a. gleiches Maß; müssen nicht mehr direkt miteinander verbunden sein große politische oder private Erschütterungen, Ausnahmezustände, existentielle Grenzsituationen darstellen "beim Triptychon geht die Leserichtung nicht von links nach rechts, sondern von der Mitte aus" durch zwei Weltkriege und dem damit einhergehenden Leid von Künstlern wie Otto Dix, Max Beckmann Max Beckmann und Francis Bacon aufgegriffen Bacon und Beckmann: Bildtypus verwendet, um sinnbildlich menschliche Existenz zu fassen Der Krieg (Triptychon), 1929/32, Mischtechnik auf Holz, Otto Dix, © VG-Bildkunst Bonn Link Link ottodix-k.jpg Farbentwurf für Triptychon "Der Krieg", um 1929, Aquarell über Graphit auf weißem Karton, Otto Dix, © VG-Bildkunst Bonn Link farbentwurf_krieg-k.jpg jüngere Auseinandersetzungen u. a.: Jonathan Meese Jonathan Meese , Damien Hirst Damien Hirst , Ricarda Roggan, Björn Melhus Bjørn Melhus Minimalisten: ebenfalls dreiteilig, um Objekt, Farbe und Form in spannungsreiche Harmonie zu setzen Großstadt, 1927/28 Otto Dix Link Geradenbild Geradenbild Link Skizze, Fotoleinwand mit Farbe Link Link Link bsp1-k.jpg Einzelgespräch Mark Link "Erdkilometer", Walter de Maria Walter De Maria Link "The Lightning Field", Walter De Maria Link The Diagonal of May 25, 1963, 1963, Leuchtstoffröhre, 243,8 cm, Dan Flavin Dan Flavin Link Link diagonal-k.jpg umsetzen Link wie "Friedrich Fröhlich Promo Chris Burden " in Gegenwart transportieren, mit einer LED-Gerade aktuelle LED-Konstellation abbauen, dafür im Eckbereich eine LED-Diagonale installieren Diagonale von linker unterer und rechter oberer Wandecke (mit langer Schnur Winkel von LED-Gerade herausfinden) Horizontal, Paul McCarthy Paul McCarthy , Schinkel Pavillon Link Link mccarthy2-k.jpg liegender Akt Akt einige Prozent größer plotten (wie optische Mitte wirkt sie dann eventuell realer) für ihn eher ohne Dreiteilung gut (dagegen spricht für mich nur die räumlichen Voraussetzungen im AV-Labor sowie riesige Bilderrahmen-Größe) eventuell mit etwas mehr Randbereich rahmen Sarah Morris Link zum A4-Blatt mit ausgedruckten Konstellationen und handschriftlichen Notizen: "Rahme es!"