Friedrich

Ein Autist erzählt.

Unterrichten, das

In meiner Zeit als Lehrer habe ich viel dazugelernt. Unter anderem, dass Lehrer mehrere Dinge gleichzeitig machen können müssen. Das kann ich nicht so gut. Deshalb legte ich mir Textdateien an. In den Textdateien standen Ablaufpläne.

Der Unterrichtsbeginn war immer gleich. Der Ablauf des Unterrichtsbeginns stand in einer dieser Textdatei. In dieser Textdatei standen auch die Sätze, die ich zu Unterrichtsbeginn benötigte. Zuerst las ich in der Textdatei folgende 8 Wörter, schaute zu den Schülern und sagte laut: „So liebe Schülerinnen und Schüler es geht los“. Nachdem die Schüler zur Ruhe gekommen waren, las ich in der Textdatei folgende 10 Worte, schaute zu den Schülern und sagte laut: „Wenn ihr euch gleich hinsetzt, erwarte ich dieselbe Ruhe“. Blieb es ruhig, las ich in der Textdatei folgende 4 Wörter, schaute zu den Schülern und sagte laut: „Einen schönen guten Tag“.

Oft standen in einem Ablaufplan Verweise auf andere Ablaufpläne. Bei Unruhe mussten die Schüler zum Beispiel noch einmal aufstehen. Blieb es weiterhin unruhig, öffnete ich die Textdatei „Strafen.txt“ und folgte den dortigen Anweisungen.

Für jede Klasse hatte ich eine eigene Textdatei angelegt. In diesen Textdateien hielt ich die Vorkommnisse der bisherigen Unterrichtsstunden fest. Es waren sehr lange Textdateien. Mein Problem war, dass ich die Schüler, die Klassen und die Jahrgänge nicht auseinanderhalten konnte. Ohne Textdateien hätte ich mit Jonas aus der 9b anstatt mit Brian aus der 6c über den Farbkreis anstatt über Perspektive geredet. Das hätte den Ablauf gestört.

Zu jedem Unterrichtsbeginn waren mindestens 6 Textdateien geöffnet. Ich überließ nichts dem Zufall. Keine Aufgabe konnte von einer anderen Aufgabe unterbrochen werden. Hatte ein Schüler ein Anliegen, musste er warten. Solange, bis in einer der Textdateien stand, dass jetzt sein Anliegen bearbeitet werden kann. Mein Schulalltag bestand darin, Textdateien zu öffnen und Ablaufpläne abzuarbeiten.