Friedrich

Ein Autist erzählt.

Pünktlichkeit, die

Im Studium gab es nicht viel, das ich unter Kontrolle hatte. Pünktlichkeit konnte ich planen. Also war ich jeden Tag zur vereinbarten Zeit in der Kunsthochschule. Meist war ich dann allerdings der einzige. Die anderen trudelten nach und nach ein. Das Warten mochte ich nicht besonders.

Manchmal fuhr ich absichtlich später los. Damit ich selber unpünktlich bin. Und ich nicht mehr auf die anderen warten muss. Leider bin ich umso schneller Rad gefahren. Ich wollte die verlorene Zeit aufholen. Ich kam wieder pünktlich an. Und musste wieder auf die anderen warten.

Ich erhöhte die Anzahl an Minuten, die ich später losfuhr. Ich stand fertig angezogen und mit Uhr vor meiner Wohnungstür. Doch je mehr Minuten ich vor meiner Wohnungstür wartete, desto mehr erhöhte sich der Druck in mir, pünktlich zu sein. Dann passierte es: Ich erreichte den Punkt, an dem es unmöglich war, pünktlich zu sein. Rote Ampeln wurden nicht grün, sondern blieben rote Ampeln. Und an roten Ampeln zu halten, egal wie wenig Verkehr ist, ist eine Regel.

Das Gefühl, nicht rechtzeitig anzukommen, war nicht angenehm. Ich war mit den Nerven fertig und der Schweiß tropfte mir aus der Kleidung. Ich verstehe nicht, warum es anderen so schwerfällt, pünktlich zu sein.