Porträtmodell, das
Jeden Dienstag bin ich Porträtmodell an einer Kunsthochschule. Dann schauen mich 300 Minuten lang Kunststudenten an. Die 300 Minuten habe ich in mehrere Abschnitte eingeteilt. Ich mag einen strukturierten Tagesablauf. Der Taktgeber am Dienstag ist mein Wecker.
Mehrere Male stelle ich den Wecker auf 20 Minuten. So lange sitze ich auf einem Podest. Und lasse mich von Kunststudenten anschauen. Während ich selber in die Ferne schaue. Wenn der Wecker klingelt, stehe ich auf und gehe zu dem ersten Kunststudenten. Ich fange immer mit dem Kunststudenten an, der ganz links steht. Ich stelle den Wecker auf 5 Minuten. 5 Minuten hat der Kunststudent Zeit mich von Nahem anzusehen. Während ich selber in die Ferne schaue. Wenn der Wecker klingelt, gehe ich zum nächsten Kunststudenten. Nach fünf bis sieben Kunststudenten setze ich mich wieder auf das Podest. Bis 20 Minuten später der Wecker klingelt.
Letztens wollte ein Kunststudent, dass ich zu ihm komme. Er wollte mich von Nahmen ansehen. Aber die 20 Minuten waren noch nicht vorbei. Ich sagte ihm, dass er noch 7 Minuten warten muss. Er verstand nicht, warum ich nicht einfach zu ihm kommen kann. In der letzten Minute fing er wieder an zu fragen. Er musste noch 9 Sekunden warten. Erst dann klingelte mein Wecker. Und er konnte mich von Nahmen ansehen.
Als Porträtmodell erhalte ich den Mindestlohn. Für 12 Euro wird von mir erwartet, dass ich anwesend bin. Ich darf sitzen. Und in die Ferne schauen. Der Raum hat große Fenster. Wenn ich sitze und mich anschauen lasse, schaue ich aus den großen Fenstern auf die Straße. In den 300 Minuten passiert viel vor den großen Fenstern.
Gegenüber einem der großen Fenster wohnt eine alte Frau. Die alte Frau erledigt am Vormittag ihre Hausarbeit. Manchmal öffnet die alte Frau eine Balkontür. Dann bückt sich die alte Frau vornüber und reinigt mit Kehrbesen und Kehrblech ihren Balkon. Manchmal sehe ich die alte Frau mit einem Stoffbeutel auf die Straße treten. Sie verschwindet dann aus meinem Blickfeld. Wenn ich Glück habe, kommt sie vor Minute 300 zurück. Dann sehe ich, wie sie mit vollem Stoffbeutel im Haus verschwindet.
Ich mag es, Porträtmodell zu sein. Ich befinde mich in einer sozialen Situation. Aber von mir wird keine soziale Geste erwartet. Ich darf in die Ferne schauen.
Mehrere Male stelle ich den Wecker auf 20 Minuten. So lange sitze ich auf einem Podest. Und lasse mich von Kunststudenten anschauen. Während ich selber in die Ferne schaue. Wenn der Wecker klingelt, stehe ich auf und gehe zu dem ersten Kunststudenten. Ich fange immer mit dem Kunststudenten an, der ganz links steht. Ich stelle den Wecker auf 5 Minuten. 5 Minuten hat der Kunststudent Zeit mich von Nahem anzusehen. Während ich selber in die Ferne schaue. Wenn der Wecker klingelt, gehe ich zum nächsten Kunststudenten. Nach fünf bis sieben Kunststudenten setze ich mich wieder auf das Podest. Bis 20 Minuten später der Wecker klingelt.
Letztens wollte ein Kunststudent, dass ich zu ihm komme. Er wollte mich von Nahmen ansehen. Aber die 20 Minuten waren noch nicht vorbei. Ich sagte ihm, dass er noch 7 Minuten warten muss. Er verstand nicht, warum ich nicht einfach zu ihm kommen kann. In der letzten Minute fing er wieder an zu fragen. Er musste noch 9 Sekunden warten. Erst dann klingelte mein Wecker. Und er konnte mich von Nahmen ansehen.
Als Porträtmodell erhalte ich den Mindestlohn. Für 12 Euro wird von mir erwartet, dass ich anwesend bin. Ich darf sitzen. Und in die Ferne schauen. Der Raum hat große Fenster. Wenn ich sitze und mich anschauen lasse, schaue ich aus den großen Fenstern auf die Straße. In den 300 Minuten passiert viel vor den großen Fenstern.
Gegenüber einem der großen Fenster wohnt eine alte Frau. Die alte Frau erledigt am Vormittag ihre Hausarbeit. Manchmal öffnet die alte Frau eine Balkontür. Dann bückt sich die alte Frau vornüber und reinigt mit Kehrbesen und Kehrblech ihren Balkon. Manchmal sehe ich die alte Frau mit einem Stoffbeutel auf die Straße treten. Sie verschwindet dann aus meinem Blickfeld. Wenn ich Glück habe, kommt sie vor Minute 300 zurück. Dann sehe ich, wie sie mit vollem Stoffbeutel im Haus verschwindet.
Ich mag es, Porträtmodell zu sein. Ich befinde mich in einer sozialen Situation. Aber von mir wird keine soziale Geste erwartet. Ich darf in die Ferne schauen.